Reisebericht Irak-Reise vom 23.05.2017 bis 30.5.2017

Caritas Flüchtlingshilfe Essen e.V. / Flüchtlingsdorf Ruhrgebiet/NRW

Teilnehmer:

  • Jan Jessen (CFE-Vors.)
  • Shero Thomas (CFE-Irak-Beauftragter)
  • Rudi Löffelsend (CFE-Vostandsmitg.)
  • Serdar Yüksel, (MdL NRW)
  • Sarah Musch, Staatskanzlei Baden-Württemberg
  • Ludger Mölders, (Schwäbische Zeitung)
  • Marco Martic (Büroleiter Yüksel)
  • Dr. Henning Walter, Arzt
  • Bruno Neurath-Wilson, Dokumentation
  • Dr. Dietrich Brockhagen (atmosfair-g GmbH, Berlin)
  • Nele Erdmann (ebenso)
  • Manuel Michalski BeYourself Personal Training
    (Vertreter Sponsoren Düsseldorf)

Zeitplan:

Dienstag, 23.05.:

13:30 : Treffen am Schalter der Irak-Airlines
15:35 : Abflug aus Düsseldorf direkt nach Erbil
21:00 : Ankunft 21 Uhr Ortszeit
Einchecken Hotel Ankawa Palast, Abendessen, erstes Kennenlernen der anderen Teilnehmer

Mittwoch, 24.05.:

09:00 : Abfahrt nach Mam Rashan, unserem Camp 11:00 : Ankunft, Begrüßung durch Camp Leitung, dann Einweihung des neuen Jugendzentrums mit Ausbildungswerkstatt, Näh- und Therapieraum Anwesend noch: Christopher Burger, Deutscher Konsul, der stellvertretende Gouverneur der Provinz Dohuk, Ismael Ahmad, 100 Gäste. Der Bürgermeister ist gekommen ebenso der Polizeichef und der stellvertretende Landrat sowie Mamou Farhan Othman, der Vizedekan am Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie der Universität Dohuk.
Anschließend Besichtigung des Feldfußballplatzes (im Bau) Zeit zur Besichtigung des Camps (Container, Schule, Ambulanz, Basare, usw.) 16:00 : Weiterfahrt nach Dohuk, Einchecken Hotel
20:00 : Gemeinsames Treffen im Hotel
22:00 : Abendessen u.a. mit dem Gouverneur

Donnerstag, 25.05.:

09:00 : Exkursion in die Umgebung in das Dorf Summel, nahe Dohuk, von Christen bewohnt, die Jesiden Obdach gewähren, Jesiden leben immer noch in Rohbauten oder Notunterkünften Anschließend: Fahrt nach Lalisch, dem Heiligtum der Jesiden
14:00 : Mittagessen auf der Strecke, auf der Datscha des früheren Camp Chefs
16:00 : Rückfahrt nach Erbil
18:00 : Teilnahme auf der Ehrentribüne beim Dohuk-Karneval. Es handelt sich um eine Art „Leistungsschau“ der Provinzregierung mit Motivwagen mit lebenden Figuren. Darunter fallen alleine vier Motivwagen zum Thema Flüchtlinge auf. Abendessen in der Residenz des Gouverneurs mit Mitgliedern anderer NGOs, die in der Provinz Dohuk tätig sind
01:00: Rückfahrt ins Hotel

Freitag, 26.05.:

9:00 : Fahrt in die Ninive-Ebene, zur Stadt Karakocs (Qurakosh) vorher Besichtigung des Camps ……., das vom früheren Camp Chef von Mam Rashan geleitet wird. Ausführliche Besichtigung, Gespräche vor Ort wegen weiterer Hilfen
13:00 : Ankunft Karakocs, nach vielen Kontrollen aufgrund der Nähe zu Mossul
Am späten Nachmittag Rückfahrt nach Erbil
Abends Einladung in ein sehr großes Restaurant am Rande Erbils / Feier zum 10-jährigen Bestehen der Hilfen aus Essen für Flüchtlinge im Nordirak

Samstag, 27.05.:

09:00 : Gespräch mit assyrischen Regionalparlamentariern aus der Provinz Ninive
11:00 : Besuch des deutsch-kurdischen Wirtschaftsbüros, Gespräch mit
anschließender Rundfahrt Erbil, Stadtbesichtigung (Zitadelle, Basar etc), kl. Mittagessen Nachmittags verschiedene Aktivitäten einzelner Gruppen
20:00 : Besuch des Deutschen Hofes in Ankawa, wg. Pokalendspiel, Treffen mit deutschen Baufirmen
In der Nacht Rückflug über Istanbul nach Düsseldorf
Rückflug am 28.05 um 04:00, Ankunft in Düsseldorf um 13:10 Uhr für folgende Teilnehmer:

  • Serdar Yüksel
  • Marco (Büroleiter Yüksel)
  • Dr. Henning Walter
  • Bruno Neurath-Wilson
  • Dr. Dietrich Brockhagen atmosfair
  • Nele Erdmann | ebenso

Sonntag, 28.05.:

Ausflugsprogramm ins östliche Gebirge:

  • S. Thomas
  • Rudi Löffelsend
  • Manuel Michalski
  • Ludger Mölders
  • Jan Jessen

Montag, 29.05.:

Ganztagesprogramm für Ludger Mölders bei der Ausbildungseinheit der Bundeswehr in Erbil
Jan Jessen noch einmal nach Karakocs
Für den Rest: Erledigung diverser Gespräche vor Ort,
Mittagessen beim Bruder von S. Thomas
Absprachen wegen neuer Hilfsaktion
Am Abend kurzer Besuch in den Flüchtlingscamps für Christen aus der Ninive-Ebene

Dienstag, 30. 05.:

07:00 : Abfahrt zum Flughafen
09:00 : Abflug nach Düsseldorf
Ankunft gegen Mittag in Düsseldorf

Zu einzelnen Punkten

Zum Camp Mam Rashan:

Während der Feierlichkeiten und bei den Besichtigungen haben wir folgende Hilfen noch beschlossen: Für das Jugendzentrum:

  • Die Anschaffung eines Beamers und einer Leinwand,
  • Für die Nähstube werden Stoffe angeschafft. Dieses Kleinprojekt fand großen Anklang, auch die gefertigten Kleidungsstücke waren von guter Qualität, so dass es diese Beschäftigungstherapie verdient, weiter gefördert zu werden.

Für die Schule:

  • Anschaffung weiterer Computer

Bei der Besichtigung der kleinen Lehrwerkstatt fiel auf, dass viel zu wenig Werkbänke und Werkzeuge vorhanden sind. Dies stimmte nicht überein mit den Listen der gelieferten Sachen seitens der Handwerkskammer NRW. Der Campleiter hat daraufhin nachgeforscht und festgestellt, dass ein Teil beim Fahrer des vorherigen Campleiters eingelagert war. Dies wurde inzwischen der Lehrwerkstatt übergeben.

Zum Camp Shekan, das vom früheren Camp Leiter von Mam Rashan geleitet wird:

Dieses Camp besteht aus Zelten, in denen die Bewohner schon über drei Jahre wohnen. Es macht einen ordentlichen Eindruck, bietet jedoch neben den Schlafmöglichkeiten keine weiteren Entfaltungsmöglichkeiten. Ein großes Anliegen des Camp Chefs ist es, dass Gewächshäuser aus Folien angeschafft werden. Der Boden in dieser Region gilt als fruchtbar und könnte durch den Anbau von Nahrungsmitteln somit den Familien eine Existenzgrundlage bieten.

Zu geplanten neuen Aktion „Wiederaufbau Karakosh“

Auszug aus dem Wiederaufbauplan des päpstlichen Hilfswerks „Kirche in Not“:
Rund 100.000 – 120.000 christliche Flüchtlinge leben seit 2014 in Camps und Wohnungen in Erbil
Als im Dezember 2016 Regierungstruppen und kurdische Peschmerga-Kämpfer ihr Dorf befreiten, blieben sie skeptisch: Wird der Frieden halten? Und was, wenn der IS doch zurückkommt?
Eine unter den Binnenflüchtlingen Ende 2016 durchgeführte Umfrage spricht eine deutliche Sprache: Nur knapp über drei Prozent der Befragten wollten damals in ihre Heimat zurückkehren. Anfang März dieses Jahres die gleiche Frage – aber eine völlig andere Antwort: 41 Prozent wollen zurück, weitere 46 Prozent denken ernsthaft darüber nach.Übersicht über zerstörte, beschädigte und abgebrannte Wohngebäude in der Ninive-Ebene.

Doch die Steine auf diesem Weg wiegen schwer, wie der syrisch-orthodoxe Erzbischof Timothy Mosa Alshamany aus dem Kloster Mar Mattai zugibt. „Die Rückkehr in unsere Heimatorte ist noch schwieriger, als es die Flucht aus ihnen war.“ Denn eine Spur der Verwüstung zieht sich durch das christliche Stammland.
Spur der Verwüstung im christlichen Stammland
Um sich ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung zu machen und den Wiederaufbaubedarf zu ermitteln, wurde eine Untersuchung initiiert. Einheimische Priester tauschten die Soutane mit dem Blaumann, kirchliche Mitarbeiter schwärmten aus, um die Schäden aufzunehmen und zu katalogisieren. Auch Satellitentechnik kam zum Einsatz.

Zerstörte Straße in Karakosch.

Die Zahlen lassen das Entsetzen erahnen, das die Bewohner erfüllte, als sie stunden-, später auch tageweise ihre Heimatorte aufsuchten: Mehr als 12 000 Wohnhäuser in zwölf christlichen Ortschaften rund um Mossul sind beschädigt, 669 bis auf die Grundmauern zerstört.
So wie das von Habib: „Ich habe mit meiner Familie ein zweistöckiges Haus bewohnt. Es wurde beschossen und dem Erdboden gleichgemacht.“ Und dennoch hält er, halten in diesen Wochen hunderte christliche Familien an ihrem Plan fest, wieder Wurzeln zu schlagen in der Heimat.
„Wir wollen nicht auf die Stimmen derer hören, die uns entmutigen und den Wiederaufbau verhindern wollen“, sagte der syrisch-katholische Erzbischof von Mossul, Yohanna Petros Mouche.
Der Wiederaufbau der ersten 100 Häuser ist durch „Kirche in Not“, dem päpstlichen Hilfswrk, gesichert. Aber der weitere Bedarf ist enorm: Die Gesamtkosten werden schätzungsweise rund 250 Millionen US-Dollar betragen.

Salar Boudagh, Generalvikar der chaldäisch-katholischen Diözese Alkosch/Irak.
„Im Durchschnitt braucht man gut 7000 Dollar, um ein beschädigtes Wohnhaus wieder bewohnbar zu machen; 65.000 Dollar kostet der vollständige Neubau eines zerstörten Gebäudes“, erklärt Salar Boudagh, Generalvikar der chaldäisch-katholischen Diözese von Alkosch im Nordirak, der auch Mitglied des Wiederaufbau-Komitees ist.
Der Kraftakt ist enorm. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um den Erhalt der 2000-jährigen Präsenz der Christen im Irak.
Die Hoffnung der Christen im Irak ist klein und zerbrechlich wie ein Olivenbaum. Aber sie wächst mit jedem Tag. Das betont die 46-jährige Ärztin Azhaar Naissan Saqat, die aus Karakosch stammt und drei Jahre als Binnenflüchtling im Nordirak verbracht hat.
Oft habe auch sie in dieser Zeit daran gedacht, ins Ausland zu gehen. Das sei jetzt anders: „Die Hilfe hat uns wieder die Hoffnung zurückgegeben, dass wir wieder in unsere Häuser, in unsere Kirchen zurückkehren und wieder ein normales Leben führen können.“

Meine Eindrücke:

Vorbemerkung:

Bereits seit 1991 habe ich Erfahrungen in Krisengebieten sammeln können. Es sind Regionen, die durch Zerstörungen gekennzeichnet sind, verursacht insbesondere durch Krieg und Naturkatastrophen. Ich bereiste das ehemalige Jugoslawien, das durch den Balkankrieg jahrelang gelitten hat. Darüber hinaus habe ich mir ein eigenes Bild in Sri Lanka nach dem Tsunami machen können. Auch Regionen in Polen, Tschechien und Bulgarien habe ich besucht nach großen Überschwemmungen. Mein Blick ist wahrscheinlich ein anderer, als der von Menschen, die das erste Mal in eine zerstörte Region kommen.

Mein Blick: was ist noch brauchbar, wie groß ist der Grad der Zerstörung, wie hoch sind die Kosten des Wiederaufbaus, wie ist die Infrastruktur?

Der Blick der anderen beschränkt sich oftmals nur auf die Zerstörung und nicht auf das Potenzial ,was noch vorhanden ist.)

Zur Reise nach Karakosh:

Die Anreise ist aufgrund zahlreicher Kontrollen schwierig. Die Kontrollen werden von verschiedenen Einheiten durchgeführt. Zunächst durch die Pechmergas, dann durch die Nationalarmee oder zum Schluss durch christliche Milizen am Stadtrand. Normalerweise braucht man eine Genehmigung, die man sich vorher einholen muss: Diese hatten wir nicht und wir hatten Glück, dass es dennoch ging.

Fährt man in die Stadt hinein, fällt zuerst ein sehr großes Kreuz auf und daneben eine überdimensionierte irakische Fahne. Die meisten Straßen waren bereits freigeräumt und somit passierbar. Es lag kaum noch Schutt, dagegen fielen aber fleißige Arbeiter an den Elektroleitungen und im Straßenbau auf. Einige Straßenabschnitte waren durch total zerstörte Häuser gekennzeichnet. Hier wurde scheinbar noch gekämpft. Andererseits gibt es Abschnitte mit Häusern, die nur geringe Schäden aufweisen. Hierbei handelt es sich überwiegend um leichte Brandschäden.

Wir fuhren dann zu einer Kirche, wo sich im intakten Anbau wohl das Komitee für den Wiederaufbau niedergelassen hatte. Direkt gegenüber war schon das Büro einer Konstruktionsfirma zu sehen, die wahrscheinlich hofften, hier gute Aufträge zu bekommen. Wir wurden sehr freundlich empfangen von zwei Priestern und etlichen jüngeren Christen, die dort auf uns warteten. Wie von Zauberhand war ein Mittagessen vorbereitet, dass aussah, als wäre es aus einer Pommesbude geholt worden. Es war wohl von einem Militärstützpunkt vorbereitet worden. Aber es tat uns gut, dies zu bekommen in all der Improvisation.

Der größere Teil unserer Gruppe zog dann mit einigen Einheimischen los, um vor Ort den Grad der Zerstörung zu beurteilen. Shero Thomas und ich blieben, um mit dem verantwortlichen Priester für den Wiederaufbau Einzelheiten zu besprechen. Er zeigte uns umfangreiche Listen der Schadensaufnahme. Hier wurde jedes einzelne Haus inklusive Katasterblattauszug aufgeführt. Insgesamt waren über 6.000 Häuser seitens der Christen aufgelistet. Nach seinen Angaben nach schwankt die Summe zur Wiederherrichtung der Häuser zwischen 2000 $ - 65.000 $ je nach Zerstörungsgrad. Die Besitzer dieser registrierten Häuser leben nach seinen Angaben zur Zeit in den Flüchtlingscamps bei Erbil. Die Bewohner hatten alle einen Vertrag unterschrieben, der sie verpflichtet nach Fertigstellung ihrer Häuser, an dem sie sich aktiv beteiligen müssen, dort auch zu wohnen.

Unklar blieb für uns, über welches Volumen dieses Bündnis der drei christlichen Kirchen vor Ort, der syrisch katholischen, der chaldäischen und der syrisch orthodoxen Kirchen, mit Kirche in Not tatsächlich verfügt. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass wir in einem bescheidenen Umfang nicht so stark zerstörte Häuser, bei denen sicher ist, dass die Bewohner zurückkehren, helfen möchten.

Unklar ist noch, wie diese finanzielle Hilfe in die Tat umgesetzt werden soll. Wir sehen es als unsicher an, dem Priester das Geld zu schicken ohne weiteren Einfluss nehmen zu können was dann mit dem Geld passiert. Daher muss noch ein System entwickelt werden, das sicherstellt, dass das Geld dem Verwendungszweck voll zugeführt wird.

Ich habe dann vom System in Bosnien erzählt, dass wir angewandt haben. Hier haben wir Aufstellungen der Materialien gemacht und dann die Materialien den Hausbesitzern zur Verfügung gestellt haben, die dann in Nachbarschaftshilfe und mit Verwandten den Wiederaufbau selbst betreiben konnten.

Ob das hier geht, ist mir nicht klar geworden. Klar geworden ist mir aber, das scheinbar sowohl von den Kirchen als auch von den staatlichen Stellen, welche das auch immer sein mögen, der Wille vorhanden zu sein scheint, bis zum Spätsommer die Stadt soweit in Stand zu setzen, dass ein Wiederaufbau und eine Rückansiedlung möglich ist.

Bis September gilt es als unerlässlich, dass wenn das neue Schuljahr beginnt, auch die Schulen seitens des Staates instandgesetzt werden, damit die Kinder dort wieder regelmäßig lernen können.

Wir sind abgekommen von einer ersten Idee, dass wir ein Gemeinschafts-Projekte fördern, zum Beispiel ein Gemeindezentrum, weil allen Beteiligten wichtiger war, erst einmal wieder Lebensraum für die Bewohner, die zurückkehren, zu schaffen. Bevor wir jetzt großflächig loslegen, muss noch ein zweiter Besuch stattfinden, um diese Dinge zu klären.

Als erste Maßnahme wollen wir einen gebrauchten Tankwagen für Trinkwasser vor Ort anschaffen, weil die Versorgung mit Trinkwasser noch nicht geregelt ist. Die weiteren Dinge können wir dann nach der zweiten Reise gezielt angehen und uns gezielt um die Mittelbeschaffung kümmern sowie auch um Gesprächsmöglichkeiten mit Verantwortlichen in der Politik in Deutschland, wie hier gezielt geholfen werden kann. Dies war mein erster Eindruck.

Essen, in Juni 2017
Rudi Löffelsend

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