Reisebericht Irak 14. bis 20. Oktober 2015
Nach einem Jahr endlich wieder im Irak, um zu schauen, was mein Projekt ,, Sport für Kinder“ macht.
Hier eine Zusammenfassung:
Nach einigen Verzögerungen und vielen AUF‘s und AB‘s steht unser Projekt „Flüchtlingsdorf “ und ,, Sport für Kinder“ jetzt vor der Vollendung. Die Flüchtlinge, die dort einziehen sollen, sind registriert, das Camp hat einen Direktor. Läuft alles reibungslos, können wir in zwei, spätestens drei Wochen die Eröffnung feiern. Und unsere geplante Bäckerei befindet sich auch im Bau. Die GIZ plant auf unsere Anregung hin eine Schule und eine Krankenstation, die wir über Patenschaftsmodelle langfristig unterstützen wollen. Die Flüchtlingslage insgesamt ist gleichbleibend angespannt, insbesondere in der Region Dohuk, wo wir unsere Projekte haben. Das Flüchtlingsdorf und der Sport- und Spielplatz. Im gesamten Irakisch-Kurdistan leben aktuell 2,3 Mio Flüchtlinge, darunter mehr als 2 Mio Binnenvertriebene. Allerdings haben sich schon etliche Flüchtlinge auf den Weg nach Europa, speziell nach Deutschland gemacht. Da sich die militärische Lage zurzeit festgefahren zu haben scheint, wird sich an der humanitären Notsituation so schnell nichts ändern. Deswegen muss man überlegen, wie man sowohl den Flüchtlingen, aber auch den Einheimischen Perspektiven aufzeigt. Ansonsten drohen weiterhin soziale Konflikte und die Abwanderung der jungen Menschen. Die humanitäre Arbeit muss also mittelfristig zu einer Entwicklungszusammenarbeit aufwachsen. Die Wirtschaft in Irakisch-Kurdistan ist noch immer sehr geschwächt. Bagdad zahlt keine Gehälter für die Region, der Ölpreis liegt am Boden und der Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ verschlingt weitere Ressourcen.
Mittwoch, 14. Oktober
20 Uhr. Nach einem langen Flug endlich Ankunft in Erbil. Während des Landevorgangs beobachten wir am Horizont große Explosionen, die US-geführte Koalition bombardiert offenbar Stellungen des sogenannten Islamischen Staates bei Makhmour. Ein wenig mulmig ist einem da schon ….
Wir werden von unserem Freund Shwan Mohammed Taha abgeholt, der bis zur Wahl im vergangenen Jahr Abgeordneter der PdK im Parlament in Bagdad war und unser Ansprechpartner insbesondere in sicherheitsrelevanten Fragen ist. Shwan erläutert uns beim Abendessen die aktuelle innenpolitische Situation, die insbesondere von dem Konflikt zwischen der in Kurdistan herrschenden PdK und der Gorran-Partei geprägt ist. Gorran ist aus der traditionell im Süden der Kurdengebiete starken PUK hervorgegangen und hat diese bei der jüngsten Regionalwahl als zweitstärkste Kraft abgelöst. Gorran wurde stark mit Forderungen nach mehr Transparenz und stärkerer Korruptionsbekämpfung. Auch hier ein wichtiges Thema.
Wir unterhalten uns mit Shwan auch über die Flüchtlingssituation in Deutschland. Was in Deutschland geschieht, wird in Irakisch-Kurdistan intensiv verfolgt, auf allen Kanälen wird ständig berichtet. Kanzlerin Merkel sei nun bei allen Menschen in Irakisch-Kurdistan bekannt, selbst in den apolitischen und bildungsfernen Schichten, sagt Shwan. Deutschland werde als Abessinien bezeichnet, das koptisch-christliche Kaiserreich, das im 7. Jahrhundert muslimische Flüchtlinge aufnahm. Es werde allerdings auch zunehmend kritisch über die Unterbringung von Flüchtlingen berichtet, wohl auch, um den Exodus junger Menschen einzudämmen. Shwan sagt auch: „Das deutsche Sozialsystem lädt besonders die faulen Leute ein, zu gehen. Und viele orientalische Männer denken, Europa sei eine Art Männerclub.“ Die Mafia und die Schlepperbanden animierten die Leute, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Auf die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge will Shwan aber nichts kommen lassen. Er sagt: „Das sind die besten Araber, sie arbeiten viel und sind sehr genügsam.“ Gleichwohl plädiert er für ein aktives Rückführungsprogramm und dafür, mehr in den nahen Fluchtorten zu investieren. „Man sollte sich mit dem Problem beschäftigen und nicht mit den Folgen des Problems.“
Donnerstag, 15. Oktober 2015
9.30 Uhr: Wir besuchen den neuen deutschen Generalkonsul Marc Eichhorn und seinen Referenten für humanitäre Fragen, Eike Hendrik Krebs. Mit dabei sind unser Politik- und Sicherheitsberater Shwan Mohammed Taha und unser Büroleiter und Cheforganisator in Erbil, Nawzad Martani.
Eichhorn skizziert die Lage. Viele Flüchtlinge lebten noch immer in Zelten, etliche würden den Winter nicht überleben, wenn nicht etwas geschieht. Ein großes Problem stelle auch die Wasserversorgung da, außerdem hapere es bei der Traumabehandlung und der Gesundheitsversorgung. „Die Leute haben gar keine andere Wahl, als zu gehen. Es muss darum gehen, den Leuten hier eine Perspektive zu geben.“ Dazu gehöre auch die Ausbildung der jungen Menschen. Deutschland werde sich wohl auf längere Sicht in der Region engagieren müssen.
Krebs sichert uns seine Unterstützung zu. Wenn Probleme bei unseren Projekten auftauchen, können wir uns an das Generalkonsulat wenden.
Der Rest des Gespräches dreht sich um die Einschätzung der politischen Lage, ist aber als Hintergrundgespräch vereinbart.
11 Uhr: Gespräch mit Dr. Nouri Osman, Büroleiter von MP Nechirvan Barzani. Dr. Osman gilt als die graue Eminenz und eine der politisch einflussreichsten Persönlichkeiten in Irakisch-Kurdistan. Es heißt, er treffe eigentlich die Entscheidungen im Sitz des Ministerpräsidenten. Umso mehr freut es uns, dass er uns in seinem Privathaus empfängt.
Wir machen sehr deutlich, dass wir über den bisherigen Verlauf des Projekts „Flüchtlingsdorf“ und ,, Sport für Kinder“ nicht zufrieden sind und geben unserem Befremden Ausdruck, dass wir in den vergangenen Monaten immer wieder vertröstet wurden. Wir erklären auch, dass das Projekt zwar verhältnismäßig klein sei, aber auch aus politischen Gründen große Bedeutung habe.
Osman sagt uns, dass die Jesiden eigentlich gar nicht in das Camp einziehen wollen, weil es zu abgelegen sei (Anmerkung: Eine Ausrede, wir sprechen in den kommenden Tagen mit Jesiden, die sich nichts mehr wünschen, als endlich in das Camp einziehen zu dürfen). Er telefoniert aber mit Ismail Ahmad, dem Stellvertreter des Gouverneurs von Dohuk. Nach dem Telefonat sagt er, dass es den offiziellen Beschluss gebe, das Camp in zehn Tagen zu eröffnen. Er sagt, dass es für das Camp den Bedarf einer Schule gebe.
Während wir mit Osman sprechen, laufen im Fernsehen Bilder der Regierungserklärung von Merkel. Auch Osman beschäftigt sich intensiv mit der Situation in Deutschland. Auch wenn es Deutschland darum gehe, junge Menschen ins Land zu holen, um der Überalterung der Gesellschaft entgegen zu wirken, sei die Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen menschlich gesehen eine sehr positive. Deutschland werde von den Menschen in Irakisch-Kurdistan und den umliegenden Regionen als das Paradies angesehen. Trotzdem sei es viel besser, die Situation vor Ort zu verbessern. Die Deutschen hätten den Kurden gegenüber eine moralische Verpflichtung. Die Kurden hätten im zweiten Weltkrieg an der Seite Deutschlands gestanden, 70 Prozent der türkischen Waffen, mit denen Kurden getötet würden, stammten aus Deutschland. Dieser Verantwortung müsse sich Deutschland stellen. Obwohl die Kurden sehr dankbar für die bislang von Deutschland geleistete Hilfe seien, „erwarten wir mehr Hilfe von einem so reichen Land wie Deutschland“.
Osman, dessen Familie aus der Sindschar-Region stammt, selbst hilft aktiv bei der Befreiung jesidischer Frauen. Dafür setzt er seine persönlichen Beziehungen und seine finanziellen Mittel ein. Bislang ist es ihm gelungen, 2400 Frauen zu befreien. Er berichtet, dass er in den Anfangstagen der Befreiungsaktionen einen Anruf vom US-Generalkonsulat bekommen habe. Der Amerikaner habe ihn gefragt, ob er mit Daash zusammenarbeite. Geld für die Befreiung von Geiseln zu zahlen sei verboten.
Die Zukunft des Irak sieht Osman eher skeptisch. „Wir können nicht mit den Arabern zusammen leben, sie haben eine andere Kultur, eine andere Geschichte, ein anderes Auftreten. Der Irak ist zerstört.“ Daash (Anmerkung: Das arabische Akronym für den sogenannten Islamischen Staat) sei der Vertreter der sunnitischen Minderheit, die den Irak 400 Jahre lang führte. Bis zu 80 Prozent der sunnitischen Araber stünden hinter Daash. Die irakische Regierung gehe nicht entschieden genug gegen die Terroristen vor, anerkenne sogar Zollpapiere von ihnen. Osman prophezeit: Der Islamische Staat werde sich in den sunnitischen Siedlungsgebieten konsolidieren. „In zwei Jahren werden Bagdad und die Amerikaner mit dem islamischen Staat zusammenarbeiten.“ (Anmerkung: Für die Amerikaner hat Osman nur Verachtung übrig, er sagt: „Sie können nur mit den Muskeln kämpfen, nicht mit dem Hirn. Sie sind einfach dumm.“) Zugleich würden sich die schiitisch dominierten Regionen im Süden immer mehr dem Iran annähern, dort könne man bereits mit iranischer Währung bezahlen.
16 Uhr: Besuch der Altstadt von Erbil, Ausklang des Tages mit unseren Freunden.
Freitag, 16. Oktober 2015
9 Uhr: Fahrt zu unseren Projekten im Camp Mam Rashan bei Sheikhan.Wir kommen gegen 13 Uhr an. Unsere Wohncontainer sind in einem guten Zustand und so gut wie bezugsfertig. Neben unseren 61 Containern stehen in dem Camp 320 Container der IOM und 70 Container, die die Zentralregierung in Bagdad zur Verfügung gestellt hat. Das Grundstück für den Fußball- und Kinderspielplatz ist auch fertig. Es fehlt jetzt nur noch der Aufbau aller notwendigen Teile und dann kann es los gehen. Ein Wächter, der uns in das Camp hereinlässt, erzählt uns, dass die Flüchtlinge, die in das Camp einziehen sollen, bereits registriert seien. In wenigen Tagen sollen sie in das Camp gebracht werden. Für unsere Bäckerei, die wir Dank der großzügigen Spende der Deichmann-Stiftung errichten können, ist das Grundstück bereits vorbereitet, sie soll in den kommenden Tagen gebaut werden. In der Bäckerei sollen zehn Menschen Arbeit finden, in ihr können täglich 10.000 Brote gebacken werden. Die künftigen Mitarbeiter in Mam Rashan sollen angeleitet werden von einem jungen Mann, der in einer Bäckerei in einem Flüchtlingscamp in Ankawa/Erbil arbeitet und aus Karakosh stammt, wo wir bereits 2011 eine Bäckerei gebaut haben. Wir werden die Bäckerei in den ersten zwei Monaten mit Mehl etc. ausstatten, danach soll sie sich selbst tragen.
14 Uhr: Gespräch mit Amer Abo. Er ist der jüngst ernannte Direktor des Camps. Abo bestätigt, dass das Camp in spätestens zwei Wochen eröffnet wird. Er macht auch deutlich, dass es wichtig ist, dass für das Camp eine Infrastruktur geschaffen wird, insbesondere eine Schule sei von großer Bedeutung. Wir sagen ihm zu, dass wir uns darum kümmern. Wir vereinbaren mit Abo, dass wir uns regelmäßig austauschen und er uns über Probleme informiert. Wir versprechen Abo, dass wir allen Flüchtlingen quasi als Starterpaket Grundnahrungsmittel für die ersten zwei Monate zur Verfügung stellen werden (Anmerkung: Ein Lebensmittelpaket kostet pro Familie und Monat etwa 30 Euro, macht also etwa 18.000 Euro). Alles in allem gehen wir mit einem sehr guten Gefühl aus dem Gespräch heraus. Abo scheint ein sehr engagierter und kompetenter Mann zu sein, mit dem man auch zukünftig gut zusammenarbeiten kann.
Auf der Fahrt raus aus dem Camp fahren wir an provisorischen Unterkünften vorbei. Eine Gruppe jesidischer Flüchtlinge hat sich dort vor zwei Wochen niedergelassen. Wir reden mit ihnen, und sie sagen uns, dass sie aus Shingal stammen, der Stadt, die im August 2014 von Daash überrannt wurde und die noch heute zu 70 Prozent in der Hand der Terroristen ist. Sie waren erst in Akre (Anmerkung: Dort haben wir im vergangenen Jahr Hilfe für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge geleistet), haben aber massive Probleme mit muslimischen Flüchtlingen bekommen. Deswegen haben sie sich auf den Weg nach Sheikhan gemacht. Sie bitten uns inständig, in das Camp aufgenommen zu werden. Wir notieren ihre Namen.
15 Uhr: Ankunft in Dohuk. Wir treffen uns mit Sadullah Mustafa Sadullah, der die PdK in Nordrhein-Westfalen vertritt. Er erzählt uns, dass ein Neffe von ihm einer der 71 Menschen war, die in dem Kühllaster gestorben sind, der Ende August auf der Autobahn in Österreich entdeckt wurde. Unter den Toten sollen 20 irakische Kurden gewesen sein. Mit Sadullah fahren wir an die Front bei Tel Skof, einem Ort knapp fünf Kilometer entfernt von Tel Kef.
Auf der Fahrt begleiten uns zwei junge Peschmerga. Sie erzählen, dass die Luftangriffe der Amerikaner selten träfen, trotz präziser Zielangaben von kurdischer Seite. „Wenn die Amerikaner wollten, wäre Daash schon lange weg.“ Sie haben natürlich auch einige Kriegsanekdoten parat. So hätten sie kürzlich einen Daash-Terroristen gefangen genommen. „Es war noch früh am Morgen. Er hat uns angefleht, ihn sofort zu töten, damit er mit dem Propheten frühstücken könne. Wir haben ihm gesagt, dass wir noch ein paar Stunden warten, dann könne er das Geschirr des Propheten spülen.“
Im vergangenen Jahr habe Daash sehr häufig angegriffen, sei aber immer wieder zurückgeschlagen worden. Aktuell setzten die Terroristen vor allem Artillerie ein. Zweimal sollen sie Chlorgas benutzt haben. Die Peschmerga bitten darum, dass sie ABC-Schutzkleidung, zusätzliche Milan-Systeme und Nachtsichtgeräte bekommen. Die deutsche Ausbildungsmission wird von ihnen sehr positiv bewertet, durch die bereits gelieferten Milan-Systeme seien viele Menschenleben gerettet worden.
19.30 Uhr: Treffen mit Jörg Wasnick von der GIZ. Wir sprechen mit dem Ingenieur, den wir im März kennengelernt haben, über Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Mam Rashan. Er sagt uns seine Hilfe zu. Falls die Provinzregierung einen entsprechenden Antrag stelle, werde die GIZ in dem Camp eine Schule und eine Krankenstation bauen (Anmerkung: Der Antrag ist zwei Tage später auf unsere Bitte hin gestellt worden). Die Lehrer für die Schule werden nach jetzigem Stand von der Provinzregierung bezahlt. Unser Plan ist, die Schule mit einem Patenschaftssystem zu unterstützen. Dabei wollen wir Essener, eventuell auch Bochumer Schulen einbinden, die jeweils für eine der insgesamt 24 Klassen (12 Klassenräume, in denen in zwei Schichten unterrichtet wird) eine Patenschaft übernehmen und so die Ausstattung mit Schulmaterialien gewährleisten sollen. So könnte man auch die Flüchtlingsproblematik in den Schulen thematisieren. Dazu müssen noch Gespräche mit den Schulämtern geführt werden. Mit dem NRW-Landesverband der deutschen Krankenhausgesellschaft werden wir Gespräche darüber führen, ob es möglich ist, deutsche Ärzte zu entsenden oder die Finanzierung von Ärztestellen zu gewährleisten. Für die GIZ müssen wir noch ein Konzept erarbeiten.
Samstag, 17. Oktober 2015
9.30 Uhr: Interviews mit dem größten kurdischen Nachrichtensender Rudaw und einem anderen, kleineren Sender namens War. Unsere Arbeit vor Ort wird in der kurdischen Medienlandschaft mit großem Interesse registriert, schon in den vergangenen Jahren sind immer wieder Geschichten über uns in den Zeitungen gewesen oder über die Bildschirme geflimmert. Das ist auch der guten Arbeit unseres Medien-Beauftragten Salem Taher geschuldet, der zudem unser Verbindungsmann in die Provinzregierung von Dohuk ist. Wie alle unsere örtlichen Freunde arbeitet Taher ehrenamtlich für uns, er bekommt lediglich eine kleine Aufwandsentschädigung.
11 Uhr: Treffen mit Gouverneur Atrushi. Der Gouverneur empfängt uns an seinem freien Tag in seinem Gästehaus in Dohuk. Es ist bereits das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir mit ihm zusammensitzen. Wir essen mit ihm zu Mittag und sprechen mit ihm zwei Stunden über unser Projekt und die politische Lage. Atrushi dankt uns erneut für unsere Arbeit und sichert uns seine weitere Unterstützung zu.
Wie auch unsere anderen Gesprächspartner wirbt Atrushi dafür, dass sich Europa mehr in Irakisch-Kurdistan und für die Flüchtlinge dort engagiert. Es sei nicht gut und „unangemessen“, dass kurdische und irakische junge Männer nach Deutschland ausreisten, selbst wenn die wirtschaftliche Lage in Irakisch-Kurdistan derzeit nicht zum Besten bestellt sei. „Die Probleme hier werden die ganze Welt beeinflussen.“ Als er zuletzt in Europa gewesen sei, habe er bereits eine deutlich angespanntere Lage an den Flughäfen festgestellt. Deutschland habe der Türkei schon mehrere Milliarden Euro Hilfe zugesagt, für Irakisch-Kurdistan aber nur einen Bruchteil davon. Atrushi möchte in den kommenden Wochen nach Deutschland kommen, um unter anderem über die Flüchtlingssituation zu diskutieren. Wir werden für ihn ein Programm zusammenstellen.
Die Flüchtlingssituation sei auch deswegen so prekär, weil sich der Konflikt mit Daash festgefahren habe. Auf absehbare Zeit werde es wohl keinen Versuch geben, Städte wie die Millionen-Metropole Mossul zu befreien.
Für die wirtschaftliche Schieflage in Irakisch-Kurdistan macht Atrushi den früheren irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki verantwortlich. „Was er uns angetan hat, war schlimmer, als das, was Daash uns antut.“
Atrushi sagt, dass die derzeit größten Probleme die fehlenden Schulgebäude, Krankenhäuser und die prekäre Wasserversorgung seien. Ein Großteil des Wassers werde von den Flüchtlingen verbraucht, Abwasser fließe ungeklärt in den Boden und verseuche das Grundwasser, so dass bereits schon Fälle von Cholera aufgetreten seien. Für 10 Millionen Euro könnten seine Ingenieure eine vernünftige Kläranlage bauen (Anmerkung: Anregung an das BMZ).
Natürlich geht der Gouverneur auch auf die aktuelle innenpolitische Lage in Irakisch-Kurdistan ein. Gorran habe aus historischen Gründen „Hass und Neid auf uns“ und setze die Agenda der Feinde Kurdistans um. So hätten sowohl der IS wie auch der frühere irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki die gewaltsamen Ausschreitungen der vergangenen Wochen gelobt. Hinter Gorran stehe der Iran, beteuert Atrushi.
Wir überreichen ihm die Liste mit den Namen der Flüchtlinge, die wir am Fuß unseres Camps getroffen haben. Er sagt zu, dass die Leute einen Platz im Camp bekommen werden.
13 Uhr: Rückfahrt nach Erbil, gegen 18 Uhr Ankunft. Wir verbringen einen Abend mit unseren Freunden und verabschieden Serdar Yüksel.
Sonntag, 18. Oktober 2015
9 Uhr: Rückflug nach Deutschland
Für mich endet die Reise hier und ich mache mich wieder auf den Weg nach Deutschland. Abschließend kann ich berichten, dass wir nach vielem Kämpfen mittels zahlreicher Spenden und Mühen es endlich geschafft haben, einen kleinen Trost zu spenden, der doch vielen Kindern ein wenig Abwechslung bietet.
Die Kinder haben jetzt in ihrem traurigen Alltag einen Lichtblick.
Das Team und meine Person bedanken sich bei ALLEN die uns dabei unterstützt haben . Es bedeutet mir persönlich sehr viel, Kindern die fast alles verloren haben, ein wenig Trost und Freude zu spenden. Bitte unterstützt uns weiter, denn wir Ihr alle wisst, gibt es noch viel zu tun.
Manuel